SichtBAR - Der Blog über Ausstellungen, Vernissagen und mehr...

Tom Vuk: "Josip", musikalisch begleitet von MichaelMoravek

Ein rundum gelungener und emotionaler Abend im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen.

Tom Vuk, Leiter des Kulturamts Waiblingen, hat dort seinen Roman „Josip“ vorgestellt. Die berührende und, wie Vuk mehrfach betont, „komplett erfundene Geschichte“ führt in die sechziger Jahre, als verschiedene Anwerbeabkommen die ersten Gastarbeiter zu uns nach Deutschland geführt haben. Es ist eine Reise in die Vergangenheit und um die Frage, wo sind unsere Wurzeln und was ist Heimat.

Begleitet wurde die Lesung von der wunderbaren von Michael Moravek und seiner Electric Traveling Show. Die ausgesuchten Songs, die entfernt an die Indie- und Folksongs von großartigen Bands „Cigarettes After Sex“, „War on Drugs“ und „The Waterboys“ erinnern, sorgten für die passende, warme und heimelige Atmosphäre, laden zum Träumen ein. Die Band sechsköpfige verbreitete eine packende Spielfreude, der Sound war wunderbar klar und ausgewogen.

Und Tom und Michael verbindet noch mehr: Die Herkunft ihrer Eltern aus dem ehemaligen Jugoslawien, eine Jugend in einem Land, in dem sie doch immer wieder wie Fremde behandelt wurden und doch mitsamt den Eltern geblieben sind. Darüber haben die Beiden in einer von dem Waiblinger Autor Joachim Speidel moderierten Talkrunde erzählt. Speidel und Moravek kennen sich seit Jahrzehnten aus ihrer Zeit in Balingen am Fuß der Schwäbischen Alb. Und Speidel hat als Lektor Tom Vuks Romanexposé bearbeitet. So schließt sich der Kreis dieses also in allen Punkten stimmigen Abends, ehe Michael Moravek noch einmal Gas gibt und drei letzte Songs präsentiert, von denen zwei vom erst im Mai erscheinenden neuen Album stammen. Ein Song vom neuen Album: https://spotify.link/hhHtxjsaiyb

Wenn es etwas an dem Abend überhaupt zu kritisieren gibt, dann dass es keine Zugabe der Band gab und er leider irgendwann vorbei war.

Ich lese das Buch noch und werde an anderer Stelle etwas dazu erzählen. Aber so viel sei schon gesagt: Absolute Leseempfehlung!

Tom Vuk: JOSIP

304 Seiten, Verlag Schruf & Stipetic

Hardcover; EUR 25,90

ISBN 978-3-944359-66-3

E-Book, EUR 15,99

ISBN 978-3-944359-75-5

Üppige expressionistische Bilderschau im Buchheim Museum

KÜNSTLERISCHE AVANTGARDEN 
1905–1914 

Noch bis 13. November lohnt sich ein Besuch im Buchheim Museum am Starnberger See ganz besonders. Dort ist derzeit eine der umfassendsten Ausstellungen zu bewundern, die es je zum deutschen Expressionismus gegeben hat. Und ein Blick auf die Blütejahre dieser Stilrichtung der beginnenden Moderne zwischen 1905 und 1914.

 

Gezeigt werden rund 200 Exponate von Ernst Ludwig Kirchner, Karls Schmidt Rottluff, Wassily Kandinsky, Emil Nolde, Max Pechstein und Franz Marc. 

 

Die Bilder zeigen, was der Expressionismus zu seiner Blütezeit vermochte. Sie laden zur Betrachtung ein mit ihrer freudig bunten Farbpracht und den gezeigten Porträts, Stadt- Natur- und Liebesszenen. Dabei war diese Stilrichtung eigentlich längst Geschichte, als die Nazis im deutschen Expressionismus entartete Kunst entdeckten und ihn fortan brandmarkten.

 

Gezeigt wird aber auch die Geschichte der beiden tonangebenden Gruppen „Brücke“ und „Blauem Reiter“. Die Künstler kennen einander, schätzen und verachten sich gleichermaßen, heißt es in den offiziellen Begleittexten zur Ausstellung. „Sie vereint das Aufbegehren gegen die Konventionen des Kunstbetriebs. Sie verspüren den Drang, Formen und Farben aus dem Zwang der realistischen Malerei zu befreien. Sie wollen damit vielmehr Empfindungen, Gefühle und Gedanken ausdrücken.“ Und trotz zahlreicher Gemeinsamkeiten gibt es auch augenfällige Unterschiede. So überrascht die Ausstellung insgesamt mit der Erkenntnis, dass diese Trennlinie weniger zwischen den Gruppen als innerhalb der Gruppen verläuft. 

 

Besonders erwähnenswert ist die Präsentation der Bilder an den großen farbigen Wänden, die teilweise im satten Lila erstrahlen, was einer Farbmischung des abstrakten Blaus der Gruppe „Blauer Reiter“ und dem Rot Gruppe der „Brücke“ entspricht.

 

 

Neue Ausstellung im Literaturmuseum der Moderne in Marbach

Abgedreht. Literatur und Film auf der Leinwand

Literatur und Film, das ist seit jeher eine eher schwierige Beziehung. Seit der Erfindung des Kinos stehen Film und Literatur in einem wechselseitigen Spannungsverhältnis. Den passenden Witz von den zwei Ziegen, die genüsslich Filmrollen fressen, bis eine der beiden meckert, dass das Buch besser gewesen sei, erzählte schon Regiegroßmeister Alfred Hitchcock. Er war dank Buchverfilmungen wie Psycho oder Zwei Fremde im Zug selbst vertraut mit dem Thema. So wundert es nicht, wenn auch die Ausstellung das Zitat verwendet. 

Das Deutsche Literaturarchiv Marbach sammelt seit den 70er-Jahren systematisch Literaturverfilmungen und Drehbücher, Pläne, Entwürfe, Treatments und Szenarios zu Filmprojekten. Einiges davon ist jetzt in der ansprechenden und interessanten Ausstellung zu sehen. Gezeigt werden diese Exponate im Foyer sowie in zwei Räumen im Untergeschoss, darunter Dokumente, Briefe, Originaldrehbücher, Abrechnungen und Fotos, die ein Schlaglicht auf das oft schwierige Verhältnis von Literaturvorlagen und deren Verfilmungen werfen. Dabei können Besucher*innen einen Gang durch gleich sechs Drehbuch- und Filmprojekte vor Ort unternehmen.

Seit der Frühzeit des Kinos greift der Film literarische Vorlagen auf. Das hinterlässt zahlreiche Spuren. So wundert es nicht, wenn es aus dem riesigen Grenzbereich zwischen Literatur, Drehbuch und Filmprojekt gibt es darin unzählige Archivalien gibt. Mit ihnen lässt sich die Entstehung legendärer Leinwanderfolge nachzeichnen. Die oft damit verbundenen menschlichen und künstlerischen Dramen inbegriffen. Denn es passiert ja nichts anderes, als dassFiguren und Stoffe vom einen Medium ins andere und wieder zurück wandern. In der Literatur wird häufig filmisch geschrieben und im Film literarisch erzählt. 

Es geht also zum Beispiel um die ästhetische Differenz, etwa zwischen Heinrich Manns Roman Professor Unrat(1905) und dessen Verfilmung durch Josef von Sternberg als Der blaue Engel (1930) mit Marlene Dietrich in der Hauptrolle. Das Drehbuch verfasste Carl Zuckmayer. Später wurde fleißig darüber diskutiert, wer welchen Anteil am Filmerfolg habe und ob die Umsetzung geglückt sei.

Frappierend ist die völlig unterschiedliche Haltung der jeweiligen Schriftsteller zu den Filmprojekten. So zeigt sich gerade Erich Kästner als höchst beweglich in der Frage des Medienwechsels. Schon 1937 schlug er Zum Verwechseln ähnlich einem US-amerikanischen Filmagenten als Stoff vor – vergeblich. Auch bedingt durch ein Schreibverbot während der NS-Zeit konnte er erst 1949 eine neue Fassung unter dem Titel Das doppelte Lottchen als Roman für Kinder herausbringen – auf dessen Basis er wiederum das Drehbuch für den dazugehörigen Film verfasste, in dem er sogar als Erzähler in Erscheinung trat. Unterlagen aus den Fünfzigern zeigen, dass Kästner überaus gut daran verdiente, womit er die eher dürren Jahre gewissermaßen nachholen konnte. „Jeder Huster kostet einen Taler“, formulierte der Schriftsteller einmal augenzwinkernd. 

Natürlich lässt die Schau es nicht aus auch die Rolle der Ufa-Produktion als Propagandamaschine der 30er und 40er zu beleuchten. War Anfang des Jahrhunderts noch Berlin das Zentrum der Filmwelt, verlor die Ufa spätestens während der NS-Zeit ihre Bedeutung und sollte nie wieder zu alter Größe zurückfinden.

Ein anderer Teil beschäftigt sich mit dem Fluchtpunkt Hollywood: So erhielt Alfred Döblin, wenn auch widerwillig, in Los Angeles Schreibasyl beim Studio MGM - wo er sich nach seiner Pariser Zeit vorübergehend und eher mühsam als Drehbuchautor verdingte.

Und Film kann auch ein Rettungsanker für Literaten sein, wie in Marbach anschaulich wird. Zum Beispiel, wenn die Ausstellung erzählt, wie Erich Kästner 1945 dem bombardierten Berlin entkam, um in Tirol zu drehen - nur zum Schein und ohne Filmrollen in den Kameras. Allein diese aberwitzige Story wäre Stoff für ein Buch und einen eigenen Film.

Den Sprung in die Gegenwart schafft die Marbacher Ausstellung mit einem Blick auf Babylon Berlin. Die weltweit erfolgreiche Serie basiert die auf den Romanen von Volker Kutscher über das Berlin der 20er Jahre und hat einen regelrechten Hype verursacht, als 2017 die erste Staffel ausgestrahlt wurde. Gleichzeitig zeigt sich hier, dass Literatur und Film eben doch oft zwei Welten sind. Denn der Autor war zwar einverstanden mit der Idee der Verfilmung, gleichzeitig distanzierte er sich auch bisweilen davon – auch weil Hauptdarsteller Volker Bruch nicht sein Favorit gewesen war. 

Es finden sich zudem etliche Filmskripte von Erich Kästner, Drehbücher zu neueren Literaturverfilmungen (z. B. Thomas Strittmatters Der Polenweiher und Elfriede Jelineks Malina) als auch um Symbiosen von Text und Film wie bei Ottomar Domnicks Großstadtfilm Jonas (1957) mit der Beteiligung Hans Magnus Enzensbergers und einem Jazz-Soundtrack in der Ausstellung wieder. 

 

https://www.dla-marbach.de/museen/literaturmuseum-der-moderne/wechselausstellungen/literaturbewegt-abgedreht-literatur-auf-der-leinwand/

Wechselausstellung im Literaturmuseum der Moderne bis 11.03.2023

Literaturmuseum der Moderne mit Literaturarchiv Schillerhöhe 8-10, 71672 Marbach am Neckar


Ausstellungseintritt: 9,00 Euro / ermäßigt 7,00 Euro, Familien (2 Erw. + Kinder bis 12 Jahre): 18,00 Euro, Gruppen (ab 10 Pers.): 7,00 Euro / Pers.