SchauBAR - Der Film- und Serienblog

Gelungenes Porträt über die Schriftstellerin Emily Bronte

EMILY

Wenn das keine erzählenswerte Geschichte ist: Eine junge Frau schreibt ihr Romandebüt – und stirbt im Jahr nach der Veröffentlichung einen frühen Tod.

 

Zahlreiche Kritiker haben mit spitzer Feder ihr negatives Urteil über den Film „Emily“ der Regisseurin Frances O’Connor gefällt. Leider. Und zudem unverständlich. Sie stören sich an einer zeitgemäßen Interpretation und an einer angedichteten Liebesgeschichte und ignorieren dabei die Kunst des Films und seiner erzählerischen Kraft, das durchaus dem als eine Art Naturgewalt beschriebenen Naturell der Autorin entspricht. 

 

Doch in diesem imaginierten Porträt der Schriftstellerin Emily Bronte (1818-1848) geht es nicht um wahrheits- und detailgetreue Darstellung des Lebens der Autorin des Weltbestsellers „Sturmhöhe“ und ihres kurzen, traurigen Lebens. Es geht in diesem von der Regisseurin von vornherein als „Fantasie-Porträt“ bezeichneten Biopic um eine junge Frau im viktorianischen England und wie sie vielleicht zu ihrem bereits 1849 erschienenen Buch inspiriert worden sein könnte. Dabei kreist alles um die Frage: Welch innerer Aufruhr hat sich in diesem einzigen Werk der Autorin derart entladen, worin lag die Inspiration zu diesem Buch? Immerhin ist das abgründige Liebesdrama bis heute einer der berühmtesten Klassiker der britischen Literatur. Bereits ein Jahr nach der Veröffentlichung verstarb die Autorin im Alter von nur 30 Jahren.

 

Über 130 packende Minuten ergänzen sich Fakten und Fiktion meisterhaft, verweben sich zu einer imaginären Biografie und zu einem atmosphärischen und eindringlichen Porträt. Die Erzählung trägt über die gesamte Dauer des glänzend inszenierten Films, der zudem in allen Rollen hervorragend besetzt und gespielt ist. 

 

Meisterhaft gespielt wird die mit außergewöhnlicher Kreativität begabte Emily Bronte von Emma Mackey. Sie gibt der eigenbrötlerischen Schriftstellerin ein Gesicht und präsentiert sie als glutäugigen Wildfang ebenso glaubhaft, wie als Frau mit wachem und vor allem kritischen Geist und stille Rebellin. Sie schlüpft regelrecht in die Rolle der von ihr verkörperten einsamen Schriftstellerin mit all ihrem Eigensinn und ihrer Leidenschaft für Geschichten und für das Schreiben.

 

O’Connor packt das bildgewaltige Drama in rauschartige, schwelgerische und düstere Aufnahmen, die die Zuschauer in die Mitte des 19. Jahrhunderts entführen, in die sittlichen Verschnürungen und die damaligen Vorstellungen von Schicklichkeit und Anstößigkeit. Erzählt wird von Ambitionen, Verrat, Enttäuschung und verbotener Liebe. O’Connor fängt die Atmosphäre dieser engen und abgeschiedenen Provinzwelt, der wilden Moor-Landschaft und der neblig-feuchten Witterung glänzend ein. Landschaft und Witterung schaffen Atmosphäre und setzen durch den Kontrast von der Schönheit der Region und den aufziehenden Unwettern dramatische Akzente. Untermalt wird all das vom zauberhaften Soundtrack von Abel Korzeniowski. 

 

Wer sich also auf die erfundenen, die erdichteten Aspekte des Drehbuches einlässt, erlebt einen wunderbaren Kinoabend, einen feinfühligen und nachhallenden Film, bei dem man am Ende das Kino in der Gewissheit verlässt: So könnte es gewesen sein. Aber vielleicht auch ganz anders. Und ob es so war oder nicht, das weiß ohnehin nur Emily Bronte selbst. Und es ist letztlich auch egal, denn der Film macht, was gutes Kino bestenfalls machen soll: Uns für kurze Zeit in eine erzählte Welt entführen. 

 

Ob der Film ein ebenso mitreißendes Erlebnis wäre, wenn Emma Mackey als Emily Bronte nur Feder schwingend über Stapel von Papier gebeugt wäre, darf infrage gestellt werden. Das wäre vielleicht den bekannten historischen Tatsachen nähergekommen, aber keinesfalls filmtauglich gewesen. Da nimmt man also gerne in Kauf, dass der Film für Literaturhistoriker ein Horror-Film sein dürfte. Denn es sind gerade die dramaturgischen Freiheiten, die den Film so sehenswert machen.

 

Übrigens haben auch beide Schwestern von Emily Bronte berühmte Bestseller verfasst:

Von der jüngsten Schwester Anne  (1820 – 1849) stammen die Romane Agnes Grey sowie Die Herrin von Wildfell Hall.

 

Von Charlotte Bronte (1816 – 1855) stammen u.a. Jane Eyre oder Der Professor

 

Neben zahlreichen Verfilmungen der Werke und Filmen über die Bronte-Schwestern hat auch die große Kate Bush dem im englischen Original unter dem Titel Wuthering Heights (Sturmhöhe) erschienenen Roman von Emily Bronte ein Denkmal gesetzt.

Der Nachname haut nicht vom Hocker

 

Bei Der Nachname kommt einem gleich vieles bekannt vor. Die Personen und ihre Darsteller, die Dialoge, die Kamera und ja, auch die Story. Denn in der Fortsetzung des Kassenschlagers Der Vorname hat Regisseur Sönke Wortmann auf Kontinuität gesetzt. 

Und genau das ist wahrscheinlich das Problem, warum der Funke bei mir zumindest nicht übergesprungen ist. 

Natürlich haben die spritzigen Dialoge wieder ordentlich Pfeffer. Natürlich ist das Darstellerensemble um Florian David Fitz, Christoph Maria Herbst, Janina Uhse und Caroline Peters über jeden Zweifel hervorragend. Ebenso wird Iris Berben ihre Rolle als kiffende Hippie-Mutter Dorothea Böttcher ein weiteres Mal wunderbar präsentiert. Und natürlich sind auch die Bilder stimmungsvoll und passend. 

Doch das war es dann auch. Sicher, das ist schon weit mehr, als man heutzutage oft im Fernsehen, bei Streamingdiensten und im Kino präsentiert bekommt. Aber n diesem Fall hat es leider nicht ausgereicht, um begeistert aus dem Kino zu gehen. 

Kurzum: Ich mag Sönke Wortmann und viele seiner Filme. Der Vorname war ein herausragendes Beispiel an Wortwitz, der nicht aus Schenkelklopfern, sondern intelligenten Dialogen heraus entsteht. Aber Der Nachname wirkt etwas aufgesetzt, ihm fehlt der Dreh und Angelpunkt, wie er in Der Vorname durch die Debatte über den Besagten noch vorhanden war. Und so plätschert der Film so dahin, spult die Highlights ab, die man eigentlich bereits aus dem Trailer kennt (der dummerweise Appetit auf mehr macht, aber man bleibt bedauerlicherweise hungrig zurück). Vielleicht liegt es auch daran, dass Der Vorname noch die Adaption eines französischen Kinofilms war, der wiederum auf dem Theaterstück "Le prénom" von Matthieu Delaporte und Alexandre de La Patellière basierte. Dagegen ist Der Nachname die vom deutschen Drehbuchautor Claudius Pläging allein erdachte Fortführung. Aber um das klarzustellen: Da können sich viele Drehbuchautoren eine dicke Scheibe abschneiden. Und vielleicht zeigt es einfach auf nur, auf welchem Niveau Der Vorname angesiedelt war. 

Fazit: Muss man nicht im Kino sehen, aber für einen unterhaltsamen Fernsehabend bietet Der Nachname allemal gute Unterhaltung. 

 



Neue Facetten einer Subkultur


Weil sie mit Orwells dystopischen Roman 1984 in der Tasche erwischt wird, passiert der Abiturientin Suzie (Marlene Burow) 1988 etwas, das im Land des real existierenden Sozialismus auch ein Jahr vor dem Mauerfall hart bestraft wird. Die Folge: Sie fliegt von der Schule, mit Studium ist nichts. Stattdessen muss Suzie in der Fabrik arbeiten gehen. Aus sind der Traum vom Literaturstudium und dem Leben als Schriftstellerin. Nun soll sie nämlich in einem Kabelwerk zu einem funktionierenden Mitglied der Gemeinschaft erzogen werden und ihren Beitrag zur sozialistischen Gesellschaft leisten. Doch wie so oft schlägt das Leben noch einen Haken. Auf ihrem Weg zur Arbeit, wird Suzie unbemerkt fotografiert, ziert in der nächsten Ausgabe das Editorial der Modezeitschrift Sibylle und soll deren Gesicht werden. Neben der Welt von Glamour und Catwalks lernt Suzie über den flamboyanten Rudi (Sabin Tambrea) auch den modischen Underground Ostberlins kennen. Doch selbst hier droht die Staatsgewalt.

 

Regisseurin und Drehbuchautorin Aelrun Goette hat mit In einem Land, das es nicht mehr gibt einen ausnehmend poetischen Filmtitel gewählt. Die Story ist autobiografisch gefärbt, denn die Filmemacherin hat selbst nach einem Schulverweis als Mannequin gearbeitet, Rudi basiert auf der Stilikone Frank Schäfer. Der Film zeigt den DDR-Alltag in seinen letzten Zügen. Da sind bereits tiefe Gräben zwischen den Generationen spürbar. Bloß nicht wie die Eltern werden! Einige versuchen noch, das Projekt Sozialismus zu retten, während sich viele Heranwachsende längst von Anpassungsdruck und Staatsdoktrin entfremdet haben. Der Titel meint also nicht nur den Blick aus unserer Gegenwart heraus auf die untergegangene Republik. Er meint auch den Alltag innerhalb eines Systems, das seine eigene Identität und die gewohnte Ordnung nur noch als Fassade aufrechterhält. Das nahe Ende ist schon spürbar, der Protest, der Wandel und die leidenschaftlich herbeigesehnte Freiheit lauern an jeder Ecke. Und genau das ist der Coup und führt das Festhalten an den Strukturen einer konformen Gesellschaft einmal mehr ad absurdum – zumindest für ein Publikum, das weiß, wie es weiterging im Herbst 1989.

 

Außerdem wehrt sich die Regisseurin auch gegen die üblichen Bilder, die wir aus Filmen über die DDR kennen: Plattenbau, Trabi, triste Klamotten. Sie wählt Bilder, die nicht total verbraucht, sondern relativ frisch sind. Warum? Es geht um Mode, um ein Covergirl, um eine Subkultur und eine junge Frau auf der Suche nach Freiheit, Arbeit, Sinn und sich selbst. Der Film erschließt dabei ein angenehm unverbrauchtes filmisches Sujet und wirft einen Blick auf die Modeindustrie der DDR, an der sich Konflikte zwischen ideologischer Linie und künstlerischem Eigensinn besonders gut aufzeigen lassen.

So schafft es ihr Film, trotz mancher Klischees frisch zu bleiben – vor allem in den Szenen, in denen Suzie und ihre Freund*innen ihre extravaganten, selbstgeschneiderten Outfits anlegen, erwacht er zu buntem Leben. Darüber hinaus gewinnt der Film durch seine guten Milieustudien, eingefangen von Benedict Neuenfels. Dabei werden zwar ohne Zweifel auch ettliche Klischees der Modewelt bedient. Doch dadurch wird das Handlungsumfeld auch für jüngere Zuschauer*innen greifbar. So kann man zumindest kurz eintauchen in das Milieu der Subkulturen und würde sich gerne noch ein wenig länger dort aufhalten und all die wunderbaren Details bewundern, die der Film präsentiert.

 

Vor allem aber erzählt der insgesamt flüssig komponierte und musikalisch fein untermalte Film von einer Ausnahmezeit im Übergang. Von einer Epoche, in der alles möglich scheint, weil das Alte zerbröselt und das Neue sich noch gestalten lässt. Die Energie, die dabei freigesetzt wird, hat offensichtlich alle Beteiligten beflügelt, Schauspieler, Kameramann, Kostüm- und Szenenbildner. Sie lassen etwas aufleben, was es nicht mehr gibt und was trotzdem präsent bleibt: als ewige Sehnsucht, solange es Menschen gibt. Ganz im Sinne von Thomas Brasch, dem erst vor kurzem mit Lieber Thomas ein grandioses filmisches Denkmal gesetzt wurde und den der Film zitiert: „Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin“.

Filmemacherin aus Fellbach präsentiert ihren neuen Film im Orfeo

Der Passfälscher

Einen besonderen Kinobesuch gab es am letzten Sonntag bei der Aufführung von Der Passfälscher im ausverkauften Orfeo in Fellbach. Besonders, da die Regisseurin Maggie Peren anwesend war. Die 1974 in Heidelberg geborene Filmemacherin ist in meiner Heimatstadt aufgewachsen, auf dem Friedrich-Schiller-Gymnasium zur Schule gegangen und in dieselben Bars gegangen. Eine davon war das Eff-Eff in der Pestalozzistraße, in dem ich früher selbst zeitweise hinter der Bar stand. So wurde der absolut sehenswerte Film von einem angenehm lockeren Plausch über Filme und Geschichten, mit einem angenehm persönlichen Rahmen versehen.

 

Peren, startete ihre Filmkarriere als Schauspielerin. Heute sagt sie, man müsse für sich erkennen, was man gut kann. „Und es gibt so viele hervorragende Schauspieler*innen und ich hatte einfach das Gefühl, ich gehöre nicht dazu. Also verlegte sie sich auf Drehbücher. Das Schreiben, so die quirlige Filmemacherin, sei eigentlich ihre größere Liebe gewesen. Und für ein gutes Drehbuch brauche es eigentlich nur folgende Zutaten: „Ein Anfang, eine Mitte und ein Ende. Und eine erzählerische Haltung.“

 

Peren hat schon etliche erfolgreiche Drehbücher verfasst, darunter Mädchen, Mädchen oder Hände weg von Mississippi. Für Napola – Elite für den Führer, hat sie 2004 den Deutschen Filmpreis für das beste Drehbuch bekommen. Ab 2005 hat sie dann begonnen, die Stoffe, die ihr am Herzen liegen, auch selbst zu inszenieren. „Meine Motivation Regie zu führen waren die oft unterschiedlichen Vorstellungen von Drehbuchautor und Regisseur, was denn wirklich erzählenswert ist.“ Und hier sei das deutsche Filmsystem beinahe barbarisch, beschreibt sie die Lage der Drehbuchautor*innen im Land. Denn man gebe als Autor seine Geschichte aus der Hand und am Ende komme ein ganz anderer Film raus. Sie erzählt außerdem von der Blase, in der man als Filmschaffender lebe. „Wir kennen uns alle, treffen uns ständig und überreichen uns gegenseitig auch ständig irgendwelche Preise“, skizziert sie fröhlich.

 

Die gut gelaunte Filmemacherin hat eines mit der Hauptfigur ihres neuen, vierten Langfilm als Regisseurin gemeinsam: Die lebenslustige Frau lächelt wie ihre Hauptfigur Cioma Schönhaus in Der Passfälscher gerne und viel. Die wahre Geschichte entführt die Kinobesucher in das düsterste Kapitel der deutschen Geschichte. Und doch schafft es Peren dafür einen lockeren und bisweilen leichten und dennoch immer passenden Erzählton zu finden. Der Film bringt einen Auszug der autobiografischen Aufzeichnungen von Schönhaus auf die Leinwand. „Ich habe mich bewusst auf seine Schönhaus-Phase konzentriert, sonst wäre die Geschichte zu lang und zu kompliziert geworden“, erzählt die 1974 in Heidelberg geborene Regisseurin. 

 

Dieser Cioma Schönhaus (hervorragend verkörpert von Louis Hofmann) – wurde im September 1922 geboren und starb im September 2015. Peren hatte das Glück, ihn vor seinem Tod noch dreimal treffen und mehrfach mit ihm telefonieren zu dürfen. Die Eltern von Cioma waren 1920 aus dem weißrussischen Minsk immigriert. Wegen ihrer jüdischen Herkunft sollte die gesamte Familie Anfang der 1940er Jahre ins Konzentrations- und Vernichtungslager Lublin-Majdanek deportiert werden; Cioma konnte dem jedoch durch seine Arbeit in einer Rüstungsfabrik entgehen. Es ist eine dieser Geschichten, die nur das wahre Leben schreiben kann: Ein Jude, der in den 1940er Jahren in Berlin, also im Zentrum des Nazireichs, lebt und überlebt – und das nicht etwa versteckt in einem Keller, sondern ganz offen, in Bars und Restaurants, Tanzlokalen und Kinos. 

Perens Film erzählt eine von einem jüdischen Mann, der wirkt wie ein lebendig gewordener Felix Krull. Ein Lebenskünstler in der finstersten Zeit unseres Landes, der versuchte, das Leben aus vollen Zügen zu genießen. Und zu überleben. Und um die Zuschauer tief in das Lebensgefühl Berlins im Jahre 1942 eintauchen zu lassen, fokussiert sie sich ganz auf die detailreiche Darstellung des Alltags ihres Protagonisten. Sie zeigt Cioma in kammerspielartigen Szenen allein in der riesigen Stadtwohnung, die das Leben der bürgerlichen Familie noch erahnen lässt. Die Kamera begleitet ihn in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeitsstätte, wo der Feingeist und Künstler an einer Drehbank arbeitet. Und die Zuschauer sind dabei, wenn er sich in die rebellische Gerda verliebt und vom jüdischen Widerstandskämpfer Franz Kaufmann aufgrund seiner zeichnerischen Fähigkeiten engagiert wird, um Ausweispapiere für im Untergrund lebende Juden zu fälschen. Auch die filigrane Arbeit an den Pässen und die allgegenwärtige Bespitzelung, die Denunzianten und die bedrohlichen Kontrollen von Polizei und Gestapo spart Peren nicht aus. 

Und wenn Louis Hofmann mit leuchtenden Augen sagt, dass gute Fälschungen im Grunde nichts anderes als kleine Kunstwerke seien, ist greifbar, warum er die Idealbesetzung ist. Er verkörpert Ciomas Hang zum Leichtsinn, durch den er sich oft genug selbst in Gefahr bringt, und bringt die Gewitztheit seiner Aktionen ebenso durchscheinen, wie den beinahe grenzenlosen und bewundernswerten Optimismus. Und doch zeigt er Cioma auch als einen jungen Mann, an dem die zahlreichen Bedrohungen, mit denen er konfrontiert wird, nicht spurlos abprallen. Mit seiner grafischen Begabung hat Cioma etlichen untergetauchten Juden zu flüchten und zu überleben.

 

Das ist alles wie gesagt in überraschend leichtem Ton und ruhig erzählt. Der Film kommt Aufmärsche, Fahnen und im Detail gezeigte Gräueltaten aus. Und genau das ist vielleicht seine eigentliche Stärke. Und doch ist man ganz nah bei den Figuren. Zum Beispiel, wenn Cioma im kalten Winter mit seinem Freund Det die Matratze in einer zugigen Hütte teilt, friert man mit.  Es gelingt Peren – und das ist die große Kunst – den Schrecken des Dritten Reichs aufzuzeigen, ohne ihn direkt zu zeigen. Doch sie verharmlost nichts, in ihrem entlarvenden Blick auf den damaligen Alltag in Nazi-Deutschland. Diese subtile Art in einem Portrait über einen lebensbejahenden und einfallsreichen Menschen auf die Leinwand zu bringen, schöpft das Potenzial zu einem großen Film aus. Pnd Peren hat diese Geschichte mit der nötigen Chuzpe erzählt. Herausgekommen ist ein leiser, frischer und berührender Film.

Die aktuellen Filmbesprechungen:

Martha Liebermann – Ein gestohlenes Leben

Thekla Carola Wied, da fallen einem nicht gerade ernste Stoffe und große Schauspielkunst ein. Eher leichte Kost. Das muss nicht schlecht sein, denn gute Unterhaltung soll ja auch genau das sein: Gute Unterhaltung.

Doch nun brilliert die Schauspielerin in der Rolle der Martha Liebermann, der Witwe des Malers Max Liebermann. Von Max Liebermann, dem weltberühmten Maler auch der einfachen Menschen - einmal wird man im Hintergrund seine "Gänserupferinnen" sehen -, dem Impressionisten, der den Reichspräsident Hindenburg malte und von ihm geehrt wurde, stammt angeblich der Ausspruch: "Ich kann gar nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte." Damit kommentierte er die Machtergreifung der Nazis 1933, er zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück, starb 1935. 


Wied geht sichtbar in der Rolle auf, identifiziert sich mit ihrer Figur, verleiht ihr die notwendige Würde. Kein Wunder, schließlich war es einer ihrer Herzenswünsche, in die Rolle zu schlüpfen. Und gleichzeitig vielleicht eine ihrer letzten Rollen überhaupt.

Eigentlich ist es fast sowas wie ein beklemmendes, hochkonzentriertes Kammerspiel, das Stefan Bühling nach einem Drehbuch von Marco Rossi auf Basis des Romans „Dem Paradies so fern“ von Sophia Mott inszeniert hat. Der von den Nazis begonnene fürchterliche Krieg geht immer mehr verloren. Und je näher das noch zwei Jahre entfernte Kriegsende zu rücken scheint, desto brutaler werden die ohnehin schon unmenschlichen Methoden der Nazis und ihrer Kollaborateure. Vor diesem Hintergrund wird der letzte Abschnitt des Lebens der als Jüdin verfolgten Witwe Liebermanns und der Versuch, sich ihre Würde zu bewahren, beschrieben. Es ist eine Geschichte über Mut und Widerstand, über Stolz, Würde und Vertrauen sowie über die unerschütterliche Liebe einer Frau zu ihrem Mann und dessen Werk und dem Versuch einiger Widerständler, sie vor der Deportation in das Konzentrationslager Theresienstadt zu bewahren.

Wied stellt die Witwe Liebermann mit äußerst reduziertem Mienenspiel dar, zeichnet das Bild einer stoischen, strengen und zutiefst erschöpften Dame. Nur in wenigen Momenten blitzt etwas vom Charme, Witz und Wärme der Frau auf, die sie früher einmal gewesen war. Eine starke Frau, die ihre Würde bis in den Tod bewahrt hat, gerade durch ihre Weigerung, zu weichen. Es ist eine der letzten Szenen, in denen Wied in einem Taxi sitzt und in Großaufnahme ihr Gesicht den ganzen Schmerz und die Verzweiflung dieser düsteren Zeit stumm nach außen brüllt.

An ihrer Seite spielen unter anderem Fritzi Haberlandt als Widerstandskämpferin, Franz Hartwig als eiskalter Gestapo-Kommissar.

Ein stiller, aber eindrucksvoller Film, der seine Substanz aus seiner Zurückgenommenheit bezieht. Da stört es nicht, wenn einige Figuren erfunden und realer und fiktionaler Kontext vermischt wurden.

Abrufbar in der ARD-Mediathek.


Gelungene und unterhaltsame Mediensatire

Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben! Und die Story von Tausend Zeilen hätte sich ein Drehbuchschreiber kaum besser ausdenken können. Denn Michael Bully Herbigs neuer Film befasst sich mit dem großen und vollkommen realen deutschen Presseskandal um Claas Relotius in dramatisierter Form. Darum geht es: Im Jahr 2018 erschütterte der Fall Relotius wie ein gewaltiges Erdbeben die Medienwelt. Der junge Spiegel-Starreporter war Autor zahlreicher gefeierter Reportagen. Das Problem: Diese waren zum Teil oder sogar komplett frei erfunden. 

Herbigs Film ist allerdings kein realistischer und trockener Tatsachenbericht, sondern eine satirische Aufarbeitung des Buches Tausend Zeilen Lüge des Journalisten Juan Moreno. Und so viel Dreistigkeit sollte man einem Menschen kaum zutrauen, wie es im Fall Relotius nun mal der Fall war. Moreno, der zeitweise mit Relotius zusammenarbeitete, ist die Aufdeckung von dessen Fälschungen maßgeblich zu verdanken. Er wird im Film von Elyas M'Barek verkörpert, Relotius von Jonas Nay. Sie tragen dort allerdings die Namen Juan Romero und Lars Bogenius. Auch die Nebenrollen sind hervorragend besetzt. So geben sich Jörg Hartmann und Michael Maertens als Vertreter der Chefetage des fiktiven Hamburger Nachrichtenblattes Die Chronik herrlich schmierig. 

Regisseur Herbig hat also einen Film inszeniert, der auf wahren Begebenheiten beruht. Herausgekommen ist eine ausgewogene Mischung aus teilweise überhöhter und augenzwinkernder Medien-Satire und Drama. Dazu hat Herbig den Stoff gekonnt aufgepeppt und bildstark mit allerlei Grafiken und herrlich illustrierten Fantasie-Geschichten aufgepeppt. 

Viele Szenen spitzen die Ereignisse zu. Viele unglaubliche Entwicklungen entsprechen aber leider den Tatsachen, sodass man ab und an und ungläubig mit dem Kopf schütteln kann. 

 

Unterm Strich: Ein unterhaltsames Plädoyer für Fakten-Check, in und außerhalb von Redaktionen und eine gelungene Mischung aus Drama und Satire, die im besten Sinne gut unterhält.


Der Gesang der Flusskrebse

Es gibt Geschichten, die berühren. Sei es als Film oder Buch, brennen sich Figuren oder Ereignisse ein, bleiben in Erinnerung. Die Lektüre von „Der Gesang der Flusskrebse“ gehört unbedingt dazu. Es ist schlicht faszinierend, wie die heute 73jährige Autorin Delia Owens in ihrem 2018 erschienen Debüt mehr als beachtlichen Debüt vom Aufwachsen dieses außergewöhnlichen Mädchens erzählt. 

 

1952 verlässt Kyas Mutter ihren Mann und die fünf Kinder. Der Grund ist der jähzornige, nichtsnutzige Vater, dessen Hand nur allzu schnell ausrutscht und der mehr am Fusel als an der Familie interessiert ist. Nach und nach verlassen auch die Geschwister das armselige Heim, bis nur noch die gerade einmal sechsjährige Catherine, genannt Kya, zurückbleibt. In der Schule bleibt sie nach einem demütigenden Erlebnis nur einen einzigen Tag. Kya will lieber im Marschland sein, im Einklang mit der Natur leben, ihrem Vater, der sie später auch verlässt, ausweichen und davon träumen, dass die Mutter zurückkommt.

Doch das geschieht nicht, und Kya bleibt im Sumpf, wird für die Bevölkerung der kleinen Küstenstadt zur seltsamen Einsiedlerin. Als 1969 der von vielen geschätzte Chase Andrews tot im Sumpf aufgefunden wird, brodelt die Gerüchteküche: War es ein Unfall, oder war es ein Mord? Hat Kya etwas damit zu tun?

 

Besonders das erste Drittel von „Der Gesang der Flusskrebse“, in dem Kayas Kindheit und Jugend erzählt wird, liest sich unglaublich spannend. Delia Owens erzählt detailreich und malerisch, zeichnet dabei schon fast ein Gemälde vom Marschland und seinen tierischen und menschlichen Bewohnern. Es berührt zutiefst zu erfahren, wie ein Kind in der Wildnis, völlig auf sich selbst gestellt, aufwächst.

 

Zum Ende von „Der Gesang der Flusskrebse“ hin kratzt Delia Owens aber noch einmal die Kurve und entfacht Spannung durch einen von beeindruckenden Plädoyers geprägten Gerichtsthriller-Part. Insgesamt ist dieser Roman sehr gelungen und gerade die Eindrücke seines ersten Teils über das Aufwachsen der berührenden Hauptfigur bleiben tief im Gedächtnis haften. Ganz zum Schluss wartet Delia Owens zudem mit einer ziemlich unverfrorenen Pointe auf, mit der man ganz sicher nicht rechnet.

 

So ist „Der Gesang der Flusskrebse“ ein Buch vom Erwachsenwerden, aber auch ein Familiendrama und ein klein wenig Kriminalroman, da die Hintergründe des Todes von Chase Andrews erst nach und nach enthüllt werden. Letzten Endes erzählt der Roman, der für Kya in einem Mordprozess gipfelt, auch von vielfältigen Formen von Liebe.

 

Selten genug können Literaturverfilmungen mit den Buchvorlagen mithalten. Bei „Der Gesang der Flusskrebse“ ist dies aber der Fall. Das Ergebnis dürfte Fans des Romans nicht enttäuschen. Aber nicht nur das: Insbesondere der starke Cast, allen voran „Normal People“-Star Daisy Edgar-Jones, steigert die Wahrscheinlichkeit, dass der Film den „Flusskrebse“-Hype sogar noch mal auf ein ganz neues Level heben wird. Die Mischung aus den verschiedenen Genres ist, gemeinsam mit den reizvollen Bildern, sind für den von Olivia Newman inszenierte Film durchaus gute Gründe, warum man sich den Film mal anschauen sollte. Die Darstellung von Daisy Edgar-Jones als einfühlsame und doch selbstbestimmte Einsiedlerin ist allerdings so überragend, dass es eigentlich keine weiteren Gründe braucht. 


SPENCER - Kinodrama über das traurige Leben von Lady Di

Brachte der chilenische Regisseur Pablo Larrain vor gut fünf Jahren in „Jackie“ Natalie Portman als trauernde Kennedy-Witwe hervorragend auf die Leinwand, widmet er sich nun Prinzessin Diana. 

Die Story umfasst nur wenige Tage rund um das Weihnachtsfest 1991 im Leben der im goldenen Käfig gefangenen jungen Frau. Herausgekommen ist ein kammerspielartiges, fesselndes, teilweise experimentelles Drama, das vor allem von hervorragenden Schauspielern lebt. Dazu findet Larrain gemeinsam mit seiner Kamerafrau Claire Mathon die passenden Bilder. Drehbuchautor Steve Knight steuert die überzeugenden Metaphern bei.

"Spencer" ist ein fantastisch ausgestatteter Film mit Elementen des Horrors und des Freejazz - vor allem auf der Tonspur. In den besten Momenten verstärkt der hervorragende Soundtrack die Wucht der Bilder. 

Kristen Stewart ist famos. Famos in der Rolle und famos gegen den Strich besetzt, denn äußerliche Ähnlichkeiten gibt es kaum. Doch die Dissonanz im Casting funktioniert fantastisch. Stewart versucht nie, Diana zu kopieren, sondern gibt ihr etwas Eigenes mit. Großartig gelingt ihr insbesondere der  traurige Blick. In einem einzigen Augenaufschlag entfaltet das gesamte Drama. 

Sie trägt den Film. Aber wie schon als Jean Seberg in „Against all Enemies“ (2019), „Personal Shopper“ (2016) oder in „Die Wolken von Sils Maria“ (2014) zeigt Stewart, dass sie mit dem richtigen Regiepartner wahre Wunder ihrer Kunst vollbringen kann. Sie wirft sich komplett in die Rolle der verlorenen Diana. 

Dabei ist die Kamera ist immer ganz nah an ihr dran, zeigt sie in fast jeder Einstellung. Oft ist der Schmerz im Gesicht im Close up zu sehen. 

„Eine Fabel, basierend auf einer Tragödie“, heißt es im Vorspann. Larraín inszeniert eine frei, wild und manchmal gewagt assoziierende Kollage, als Trip, der immer tiefer in die Neurosen der jungen Frau führt. Wenn Diana die Gänge des Schlosses entlangläuft, muss man unweigerlich an die Fahrten des jungen Danny in den unendlichen Fluren des Overlook-Hotels in der Stanley Kubrick-Verfilmung von Stephen Kings Shining (1980) denken. 

Fazit: Der gestrige Kinoabend war eine positive Überraschung zum Start des Filmjahrs 2022.

 

Schneller als die Angst - Spannender Mehrteiler zum Jahreswechsel

Mit „Die Toten von Marnow“ ist das Jahr 2021 mit einem hervorragenden Krimi-Mehrteiler gestartet. Und auch 2022 geht mit „Schneller als die Angst“ hervorragend los. Dabei spielt Friederike Becht eine Magdeburger LKA-Fahnderin, die bei der Jagd auf einen Frauenmörder - hervorragend, charismatisch und zugleich diabolisch dargestellt vom Stuttgarter Tatort Kommissar Felix Klare - mit ihren eigenen Dämonen konfrontiert wird. 

Dabei werden eigentlich zwei Geschichten auf zwei Ebenen sehr spannend und reizvoll erzählt, die sich am Ende hervorragend und logisch zusammenfügen. Der Mehrteiler fesselt mit überraschenden Wendungen über die kompletten 270 Minuten und entfaltet eine gewaltige Sogwirkung.

Wer spannende und gut erzählte Geschichten mit interessanten Figuren und guten Darstellern mag, ist hier richtig.

https://www.daserste.de/.../schneller.../videos/index.html

Matrix Ressurrection - Vierter Aufguss der Serie ohne neue Impulse

Es gibt Menschen, Veranstaltungen, Orte oder eben Filme, die ziehen einen magisch an, obwohl man eigentlich die Enttäuschung schon körperlich spürt, bevor sie zur Gewissheit wird.

„Matrix Ressurrection“ gehört in genau diese Kategorie. Ging vom ersten Matrix-Film (1999) noch eine ganz eigene Faszination aus durch die Verbindung von philosophischen Fragen mit klassischer Science Fiction, waren die beiden Fortsetzungen eigentlich schon ziemlich traurig. Kaum mehr als einfach gut gemachtes Actionkino.

Und man kann eigentlich erahnen, dass der dritte Aufguss der Serie keine neuen Impulse geben kann, kein neues Leben einhaucht. Denn spätestens nach „Matrix Revolutions“ war die Story eigentlich auserzählt und die von Keanu Reeves verkörperte Figur Neo am Ende ihres Daseins angekommen.

Die erste Filmhälfte verspricht hier fast mehr, als das Gesamtwerk am Ende halten kann. Der ironische Umgang mit den Vorgängerfilmen und der Produktionsfirm Warner Bros., die unbedingt ein weiteres Sequel will. Keanu Reeves als Gamedesigner des Spiels „Matrix“, der an Wahnvorstellungen leidet. 

Dazu die Brainstormingszenen, die Matrix als „Kopfporno“, „Mindfuck“ und „Philosophie in hautengem Latex“ entlarven, entbehren nicht einer feinen Ironie.

Und genau die hätte auch dem Rest des Films gutgetan. Denn spätestens in der zweiten Hälfte zerfällt das Konzept in die übliche Melange aus zweifellos perfekt inszenierten und choreografierten Actionszenen, die sicher sehenswert sind, aber ohne wäre die Welt auch nicht ärmer. 

Kurzum: Vielleicht hätte „Matrix Ressurections“ sogar besser als die beiden Fortsetzungen „Matrix Reloaded“ und „Matrix Revolutions“ von 2003 sein können. Doch dafür hätte Regisseurin Lana Wachowski mehr auf die ironische Distanzierung setzen sollen, wie sie es am Anfang sehr reizvoll versucht. Doch das Endergebnis ist leider insgesamt weit entfernt von der Tiefenschärfe des ersten Teils. 

Positiv: Damals wie heute überzeugen Kenau Reeves und Carrie-Ann Moss in ihren Rollen und bleiben ein Traumpaar des Actionkinos. Reeves ist eine coole Socke und spielt seinen Neo lässig wie eh und je. Und Moss zeigt den Jungs wo es langgeht.

Leben und Kunst von Aretha Franklin verdienen Respect! - Starkes Biopic

Der letzte Kinobesuch des Jahres: „Respect“. Ein Film über eine der wichtigsten Sängerinnen unserer Zeit und ihre einzigartige, gewaltige Stimme. Und ein Film über Erfolg und die damit verknüpften dunklen Seiten des Lebens. Und natürlich geht es um Musik, um das Finden des eigenen Ausdrucks und der Persönlichkeit.

Das Leben der Soul-Diva Aretha Franklin steht im Mittelpunkt des Biopic, von kleinen Gesangseinlagen an den Konzertabenden im Haus des Vaters bis hin zur Aufnahme ihres erfolgreichsten Albums „Amazing Grace“ (1972). Dazwischen zeichnet die aus Südafrika stammende Liesl Tommy zweieinhalb Stunden ein packendes Porträt der Queen of Soul und ihr bewegtes Leben mit den Stationen der Karriere voller Schicksalsschlägen. 

Ihr Vater, strenger Baptistenprediger, Freund von Martin Luther King und Schwergewicht der Bürgerrechtsbewegung, will die Karriere seiner Tochter fördern. Doch das Verhältnis zum dominanten Vater ist angespannt. Aretha muss den Tod ihrer geliebten Mutter und eine Vergewaltigung mit 11 Jahren, die zu einer ungewollten Schwangerschaft führt, verkraften. Sie macht sich früh mit ihrer sensationellen Stimme einen Namen, doch kann keinen Hit landen. Als Produzent Ted White in ihr Leben tritt, möchte sie mit ihm ihre Karriere selbst in die Hand nehmen – und überwirft sich dafür mit ihrer Familie. Der Plan scheint zunächst aufzugehen. Sie findet ihre Songs, ihre Musik und landet Hits, die ihren Ruf als die vielleicht beste Sängerin der Welt untermauern. Doch je erfolgreicher sie wird, desto angespannter wird ihre Beziehung zu White und sie muss lernen, sich auch von ihm zu emanzipieren. Im Spagat zwischen den eigenen Ansprüchen und denen ihres Publikums verfällt sie zunehmend dem Alkohol, muss sich als schwarze Frau in den 60er- und 70er-Jahren behaupten, um ihren Weg gehen zu können. Die Höhenflüge, der Kampf mit den Dämonen, Trauer, Abhängigkeiten und gegen sich selbst werden in allen Facetten beleuchtet. Untermalt mit packenden musikalischen Sequenzen, die mehr als einmal für emotionale Momente und Gänsehaut sorgen. 

Dargestellt wird Aretha Franklin von der famos aufspielenden Jennifer Hudson, die nicht zuletzt auch mit ihren Interpretationen der Songs beeindruckt und zeigt, wie aus Schmerz großartige Kunst entsteht. Es war die 2018 im Alter von 76 Jahren verstorbene Franklin selbst, die Jennifer Hudson noch zu Lebzeiten für die Rolle bestimmt hatte.

„Respect“ ist ein kraftvoller Film über eine beeindruckende Künstlerin, die nicht zuletzt auch durch ihr politisches und soziales Engagement zeitlebens stets ein fettes Ausrufezeichen gesetzt hat. Das fängt der Film in einer guten Balance zwischen privaten und politischen Momenten ein. Absolut sehenswert!

Gänsehaut garantiert - Privatkonzert von Sting im Pariser Panthéon

Zwanzig Jahre ist es her, da hat Sting am 11.09.2001 mit einem Konzert auf seinem Landsitz in der Toskana für Gänsehaut gesorgt. Damals spielte er am Abend nach den Terroranschlägen in New York 18 seiner Songs in vollkommen akustisch arrangierten Versionen. Entstanden ist ein legendäres und traumhaft schönes Konzert, bei dem auf elektronischen Schnickschnak verzichtet und alles von Hand eingespielt wurde und das auch heute noch gleich mehrfach für Gänsehaut sorgt. 

Jetzt hat der inzwischen 70-jährige britische Musiker erneut seine Brillianz unter Beweis gestellt und sorgt erneut für Gänsehautmomente. Eingeladen hatte ihn der französische Radiosender FIP anlässlich seines 50-jährigen Jubiläums am 6. Oktober 2021 zu einem Privatkonzert im Pariser Panthéon. Es war das erste Mal, dass Klänge von Popmusik in den gewaltigen Bogenhallen erklangen. Und wenn an diesem geschichtsträchtigen Ort die unverkennbare kräftige Stimme erklingt, scheint nicht nur die Zeit stillzustehen.

Der laut Bob Geldorf „talentiertetste Musiker seiner Generation“ startet seine außergewöhnliche und auf das wesentliche – die Musik – reduzierte Performance mit den eindringlichen Balladen "Shape of my heart" und "Fragile" setzt er zwei seiner schönsten Songs an den Anfang der Setlist. Es folgt eine hervorragende Neuinterpretation des Police-Klassikers "Message in a bottle". Nach Songs vom eben erst erschienenen (und überraschend guten und frisch klingenden) neuen Album „The Bridge“ rundet Sting das Set mit seiner Version des Klassikers „Sitting on the Dock of the Bay“ ab. 

Das Konzert zeigt die musikalische Größe und das Charisma des Ausnahmemusikers und seiner hervorragenden Band. Dabei wirkt Sting vollkommen in sich ruhend und strahlt eine Agilität und mentale Stärke aus, von der sich Generationen von Retortenstars mit ihrer Konservenmusik ein Beispiel  nehmen sollten.  Der Ausnahmemusiker Sting liefert mit seinem kurzen aber einprägsamen Konzert Musik und Bilder von großer Schönheit und Einmaligkeit!

Unbedingt anschauen in den Mediatheken von ARD/ZDF und Arte:

https://www.ardmediathek.de/.../Y3JpZDovL2FydGUudHYvdmlkZ...

https://www.zdf.de/.../page-video-artede-sting-im-panthon...

Setlist:

Shape of My Heart

Fragile

Message In a Bottle

If it's love

Rushing Water

For Her Love

The Bridge

Sitting on the Dock of the Bay

House of Gucci - Ridley Scott erzählt eine wahre Geschichte von Mode und Mord

Ridley Scott ist ohne Zweifel ein Meister seines Fachs. Von „Alien“ über „Blade Runner“, „Gladiator“, „American Gangster“, „Robin Hood“ bis zu „Der Marsianer“ hat er seit den späten 1970ern zahlreiche Blockbuster auf die Leinwand gebracht. Dabei hat der ehemalige Werbefilmer seine Werke immer in sehr ausgeprägter, beinahe malerischer Ästhetik inszeniert. Scott hat filmische Gemälde für das Kino geschaffen. Dabei sei ihm sein visueller Stil wichtiger als Inhalt und die Zeichnung von Charakteren in seinen Filmen, warfen ihm Kritiker lange Zeit vor. Das entkräftete Scott spätestens mit "Thelma & Louise" . Der Film brachte ihm nicht nur gute Kritiken, sondern auch die erste Nominierung für den Oscar.

Nun hat Meisterregisseur Scott nur wenige Jahre nach „Alles Geld der Welt“ seinen zweiten Film präsentiert, der auf einem realen Kriminalfall aus der Welt der Superreichen beruht. Herausgekommen ist dabei weniger ein Krimi-Drama, sondern eine packende Soap-Opera über Liebe, Verrat, Wahnsinn, Glamour, Gier und Mord. „House of Gucci“ glänzt zudem mit einem hervorragenden Cast, angeführt von der Oscar-Gewinnerin Lady Gaga („A Star Is Born“). Sie sollte sich mehr auf das Schauspielfach verlegen, denn ihre Leinwandauftritte sind vielversprechender als ihre musikalische Exkursion. Aber das ist und bleibt Geschmackssache. An ihrer Seite agiert der zweifach Oscar-Nominierte Adam Driver („Marriage Story“). Filmlegende und Oscar-Preisträger Al Pacino (Scarface) glänzt ebenso wie Jared Leto („Dallas Buyers Club“) und Salma Hayek („Frida“). Zusammen mit Scotts opulenten Bildern machen sie den Film zu einem durchaus fesselnden Kinoerlebnis der besonderen Art, der die Kinobesucher in die gleichzeitig strahlende und doch abgründig düstere Modewelt der 70er-, 80er- und 90er-Jahre entführt.

Um was geht es in dieser an einigen Stellen fast zur Groteske überzeichneten Story: Gucci, die Marke ist weltbekannt und die Ermordung des Gucci-Erben Maurizio Gucci (Adam Driver) sorgt 1995 für Schlagzeilen. Schnell nimmt die Polizei eine Verdächtige ins Visier: Maurizios Ex-Frau Patrizia Reggiani (Lady Gaga) wird des Mordes beschuldigt. Es kommt zu einem Prozess, an dessen Ende die Wahrheit ans Tageslicht kommt: Sie heuerte einen Profikiller an, um ihren Mann zu ermorden. 

Scott erzählt die Geschichte chronologisch vom ersten Treffen von Maurizio und Patrizia, bis zur Verurteilung. Dabei gibt es zwar ein paar kleine Längen, aber die Bilder und Schauspieler entschädigen allemal dafür.

Die Geschichte meiner Frau - Szenen einer Ehe oder eine zerstörerische Liebe

Szenen einer Ehe - oder eine zerstörerische Liebe 

Ein ungewöhnliches Paar aus zwei völlig verschiedenen Lebenswelten. Ein Setting, das mit einem Spaß beginnt, aus dem aber rasch bitterer Ernst wird. Zwei hervorragende Hauptdarsteller machen aus dem neuen Film der ungarischen Regisseurin Ildikó Enyedi ein in opulenten Bildern erzähltes, knapp drei Stunden langes Epos um Liebe und Schmerz. Die Story basiert auf dem gleichnamigen Roman von Milán Füst aus dem Jahr 1942 und zeichnet ein atmosphärisches, raffiniert gezeichnetes Bild vom Europa zwischen den beiden Weltkriegen, wobei die Geschichte hierauf keinerlei direkten Bezug nimmt.

Eben noch in den Armen von James Bond alias Daniel Craig, brilliert Léa Seydoux als zierliche, moderne, intellektuell gewandte, unberechenbare, aber auch unsichere Frau. Keine Femme fatale im klassischen Sinn, aber sich ihrer Verführungskraft bewusst. 

Dagegen gibt Gijs Naber seine Figur des Ehemanns als sehr „männlichen“ Mann. Ein raubeiniger niederländischer Schiffskapitän. Groß, stattlich und insgesamt sehr körperlich und bisweilen aggressiv. Und doch verletzlich, unbeholfen, melancholisch, mit einigen Selbstzweifeln behaftet und von Eifersucht getrieben.

Um was geht es: Er könne zum Beispiel die erste Frau heiraten, die zur Tür hereinkommt, meint der Frachtschiffkapitän Jakob eher scherzhaft zu einem alten Freund. In der Folge wird sich sein Schicksal und sein Leben verändern. Denn zur Tür hereinkommt Lizzy, seine spätere Frau. Jakob und Lizzy ziehen nach Hamburg. Hier, in einer düsteren Wohnung voller schwerer Möbel, verstrickt sich das Paar weiter in Widersprüche, Missverständnisse. Jakob versucht seine Frau zu entschlüsseln wie ein Rätsel, sucht überall die Zeichen ihrer angeblichen Untreue. 

Das ist toll inszeniert und mit teilweise beinahe feinen Bildkompositionen Bildern absolut sehenswert. Und doch trägt die Geschichte leider nicht über die beinahe drei Stunden. Motive wiederholen sich und die Inszenierung schleppt sich bei einigen Passagen so dahin. Es gibt einige Längen und irgendwann denkt man sich, es könnte langsam vorbei sein, da man ahnt, worauf die Geschichte zuläuft. Dennoch ein guter Film für einen kalten Winterabend ohne Weihnachtsmärkte.

 

Pulp Fiction - Wiedersehen macht (manchmal) Freude

An Quentin Tarantino scheiden sich die Geister. Man liebt ihn und seine Filme oder man hasst ihn. Eigentlich. Einige seiner Filme finde ich richtig gut, während mich aber viele seiner Orgien aus scharfen Dialogen, übertriebener Gewaltexplosionen und eimerweise Filmblut eher ratlos zurücklassen. 

Anders bei „Pulp Fiction“ - 1994 im Mathäser Filmpalast in München zum ersten Mal gesehen. Und alle Jahre wieder bleibe ich begeistert und neugierig beim nächtlichen Zappen an dem Kult-Streifen der 1990er Jahre hängen. So wie gestern. Hat er etwas von seinem morbiden Charme eingebüßt?

Um es kurz zu machen: Hat er nicht! Das Ganster-Epos ist noch immer ein grandioses und coolsten Werke der Filmgeschichte. Das herausragende Ensemble um John Travolta, Samuel L. Jackson, Uma Thurman, Bruce Willis und Harvey Keitel spielt zum hinschmelzen gut. Der einstige Vortänzer Travolta in der Rolle seines Lebens. Und auch sonst passt bei dieser Perle des Independent-Films alles: brillant geschrieben, dramaturgisch perfekt bis ins kleinste Detail, brutal und doch voll kultiger, spritziger Dialoge. Es ist eine stilistisch herausragende Gangsterfilm-Anthologie und vielleicht der innovativste Film seiner Zeit. „Pulp Fiction“ avancierte schnell zum Kultstreifen, war Stilbildend für die Branche und Tarantinos Durchbruch. 

Als hoffnungsloser Filmfreak hatte der ehemalige Videotheken-Angestellte zuvor Drehbücher am Fließband verfasst. So stamm zum Beispiel das Skript zu „True Romane“, 1993 von Tony Scott exzellent auf die Leinwand gebracht, aus Tarantinos Feder. Christian Slater und Patricia Arquette glänzen in dieser furiosen filmischen Achterbahnfahrt. Und doch blieb Tarantinos eigenes Regiedebüt „Reservoir Dogs“ (1992), von Publikum und Kritik weitgehend unbemerkt. Das änderte sich aber mit „Pulp Fiction“ schlagartig. 

Allerdings ist das weitere Werk Tarantinos eher durchwachsen. Mit Kill-Bill konnte ich ebensowenig anfangen, wie mit „Inglorius Bastards“ oder seinen Western „Django Unchained“ und „The Hateful Eight“. Keiner konnte mich letztlich überzeugen, da sie letztlich nur das Konzept von „Pulp Fiction“ variieren und aber wenig Neues hinzufügen können.

Bird - Clint Eastwoods Porträt über das tragische Leben des Jazzmusikers Charlie Parker

Clint Eastwoodˋs „Bird“ (1988) ist ein einfühlsamer Film über den legendären Jazztrompeter Charlie Parker, ein sensibles Porträt einer widersprüchlichen Persönlichkeit. In seinem unaufgeregten Stil macht Regisseur Eastwood aus dem ernsten Stoff eine bewusst unspektakuläre Inszenierung mit viel Jazz und Atmosphäre. Gleichzeitig ist „Bird“ eine Reise durch die Dunkelheit, denn der 34-jährige Charlie Parker war 1954 – ein halbes Jahr vor seinem Tod – nicht nur eine schillernde Legende, sondern aufgrund seines Drogen- und Alkoholkonsums ein menschliches Wrack. 

Parker führte stets ein Leben auf der Überholspur. Er hatte Anfang der 1940er-Jahre großen Einfluss auf die Jazz-Szene und kreierte mit dem Bebop eine neue und eigene Jazz-Variante. Eastwood erzählt sein spektakuläres Leben in Rückblenden. 

Gleich zu Anfang von „Bird“ lernt das Publikum Charlie Parker (genial verkörpert vom großartigen Forest Whitaker) als einen Mann kennen, der am Rande des menschlichen Ruins steht. Parker kommt nach Hause, ist betrunken, beginnt einen Streit mit seiner Ehefrau Chan und versucht sich das Leben zu nehmen und landet in einer Nervenheilanstalt. Dort möchte man ihn mit einer Elektroschocktherapie behandeln. Seine Frau stimmt dem nicht zu. In Erinnerungen an die Anfänge wird nun die Lebensgeschichte Parkers erzählt. 

Dabei spürt man die Affinität zum Jazz, die Eastwood schon immer hatte. Er findet die passenden Bilder zum wilden Lebenswandel eines genialen Künstlers. Es ist ein behutsamer Film, der sich der amerikanischen Jazz-Legende vorsichtig nähert und dennoch nichts ausspart von diesem verrückten, besessenen und in jeder Hinsicht extremen Jazzer Charlie Parker. Alles will der gleichzeitig: Liebe und Erfolg, ewige Lust und ewigen Spaß. Von der Musik erfüllt, zugleich aber von allen nur denkbaren Gelüsten abhängig, lässt Parker seinen Obsessionen freien Lauf: Auf seinem «Hörn» improvisiert er, was nie zuvor zu hören war; mit seinem Körper konsumiert er, woran andere schnell zugrunde gehen – Heroin, Alkohol und Medikamente, dazu kommen Fress- und Sexorgien. Die Tragödie dieses Mannes: dass er das eine nur tun kann, ohne das andere zu lassen. Seine maßlose, schwindelerregende Musik setzt ein maßloses, schwindelerregendes Leben voraus. 

Insgesamt schaffte es Eastwood mit Bravour, seine Kritiker zu verblüffen und konfrontierte sie mit "Bird" mit einem neuen, anderen, sensiblen Eastwood, den viele von ihnen bisher nicht kannten.

Mehr dazu auch in meinem Buch „Clint Eastwood – Ein Mann mit Eigenschaften“:  https://www.schueren-verlag.de/.../640-clint-eastwood...

Nicht nur die Liebe geht durch den Magen, die Freiheit auch 

Der Film „À la carte – Freiheit geht durch den Magen“ macht Appetit. Er macht sogar richtig hungrig, wenn man sieht, wie flinke Hände in Großaufnahme Zutaten zerschneiden, vermischen, anrühren, anrichten oder servieren. Dazu die Brise einer flüchtig angedeuteten Romanze, ein Hauch französischer Revolution, das sind die Zutaten des mehr als ansehlichen Menüs, das Regisseur und Co-Autor Éric Besnard („Birnenkuchen mit Lavendel“, „Meine geistreiche Familie“) in seiner klugen, wunderbar ausgespielten Geschichte mit Tiefgang, sinnlich, spannend und überraschend serviert. Das Ganze richtet er in opulenten, schwelgerischen Bildern geschmackvoll an und zeigt uns so die Erfindung des Restaurants als ein visuelles Fest der Sinne auf der Leinwand.

Um was geht es: Frankreich am Vorabend der Revolution, im späten 18. Jahrhundert. Eine Zeit also, in der Essen insbesondere für weite Teile der Bevölkerung kein Genuss, sondern eine einfache Notwendigkeit war. Man aß, weil man sonst nicht überlebte und war froh, wenn man genug hatte um einigermaßen satt zu werden. Scharf und deutlich zeichnet Besnard in seiner Komödie den damaligen Kontrast: Da ist einerseits die arme Dorfbevölkerung, deren Kinder Brot stehlen müssen, um ihren Hunger stillen zu können. Andererseits dann der Adel, der sich mit allem vollstopft, was er kaufen kann. Hauptsache die üppigen Mahlzeiten sind teuer und protzig. Doch der Spaß ist vorbei, als der Koch Manceron einer Runde aus Adel und Klerus eine leckeres Menu mit Kartoffeln auftischt. Ein Skandal, sind doch die Erdäpfel ein Fraß für Schweine und arme Leute. So tritt der Kontrast dieser Zweiklassengesellschaft deutlich hervor. Er wird vom Hof gejagt und gründet mit einer geheimnisvollen Fremden das erste Restaurant des Landes, in dem jeder zum Essen kommen kann. 

Dabei nimmt sich der Film zwar einige historische Freiheiten und fügt so der Geschichte eine ganz neue Perspektive hinzu: Die Demokratisierung des Essens im Kontext der französischen Revolution. Aber das schmälert den Genuss des bildhaften Augenschmauses nicht. 

Grégory Gadebois („Intrige“) glänzt in der Rolle des schweigsamen, in sich gekehrten Kochs, den Früchte, Fleisch und Körner in einen leidenschaftlichen Erfinder exquisiter Speisen verwandeln. Isabelle Carré („Der Husar auf dem Dach“, „Anonyme Romantiker“) spielt die geheimnisvolle Fremde.

Trailer: https://youtu.be/HCDOKa7azyI

Ammonite - Die beeindruckende Performance der Kate Winslet 

Oscarpreisträgerin Kate Winslet liefert regelmäßig eine beeindruckende Performance auf der Leinwand: „Das Leben des David Gale“, „Wenn Träume fliegen lernen“, „Zeiten des Aufruhrs“. Und natürlich in der Adaption von Bernhard Schlinks Weltbestseller „Der Vorleser“. Oder in der Joyce Maynard Adaption „Labour Day“ und „Zwischen zwei Leben“. Auch in der Miniserie „Mare of Easttown“ liefert sie eine famose Vorstellung. 

Regisseur Francis Lee`s („God`s own Country“) Filmdrama „Ammonite“ fügt dem jetzt ein weiteres, von Kameramann Stéphane Fontaine in atmosphärisch dichten Bildern gefilmtes Werk dazu.

Winslet spielt die wortkarge und einsame Fossiliensammlerin und leidenschaftliche Paläontologin Mary Anning. Eine Frau, die vom Leben nichts mehr erwartet und deshalb die Welt so gut es geht auf Abstand hält. Zusammen mit ihrer kranken Mutter lebt sie in Armut, betreibt einen schäbigen Laden.

Winslet spielt ihre Rolle so schroff, wie die von der Kamera eingefangene Landschaft der rauen Küste im Süden des viktorianischen Englands der 1840er Jahre. Also zu einer Zeit, in der das männliche Wissenschaftsestablishment Frauen bestenfalls belächelte. Die Mimik ihrer Mary wirkt stellenweise so versteinert, wie die Fossilien (darunter die Titelgebenden Ammoniten), die sie freilegt.

Doch hinter der harten Schale schlummern Neugier und Verunsicherung. Aus Geldnot geht Mary auf das Angebot eines Geologen ein, sich um seine „an einer schweren Melancholie“ erkrankten Frau (nuancenreich gespielt von Saorise Ronan, „Little Women“) zu kümmern. So treffen zwei Frauen aufeinander, die unterschiedlicher kaum sein könnten: arm, introvertiert und vom Leben gezeichnet, desillusioniert die eine. Jugendlich unbedarft, aufgeschlossen und reich die andere. Doch nach und nach wandeln sich die anfängliche Abneigung und Distanz in Zuneigung und Leidenschaft. Es entspinnt sich eine zu dieser Zeit verpönte, verbotene Liebe. 

„Ammonite“ ist ein leiser Film. In einigen Passagen sogar so still, dass es beinahe weh tut. Das alles ist in wunderbar abgestuften Grautönen abgelichtet. Ein weiteres starkes Stück Kino.

Das traurige Leben der Billie Holliday

Grandioses Biopic über die Jazzlegende Billie Holiday: "The United States vs. Billie Holiday - Ihre Stimme wird nicht schweigen"

Zeitgeschehen emotional, packend inszeniert und dramaturgisch herausragend verpackt. Schämen muss sich lediglich die angebliche Wiege der Demokratie. Und Songs wie "Strange Fruit" halten ihr den moralischen Spiegel vor. 

Es ist ein Film, der sich einige künstlerische Freiheiten nimmt. Und doch ein feines Portrait einer gebrochenen Persönlichkeit, die Haltung zeigt und für ihre Kunst brennt.

Um was geht es: Die schwarze Sängerin Billie Holiday (Andra Day) wird in den 1940er von Menschen aller Hautfarbe als Musik-Star des Jazz gefeiert. Doch dass die Texte mancher ihrer Songs auch provozieren und der Bürgerrechtsbewegung Feuer liefern, sehen die Behörden und insbesondere FBI-Boss J. Edgar Hoover nicht gern.

Der Film von Lee Daniels handelt von abgebrochenen Konzerten, einem Gefängnisaufenthalt, dem Kontakt zu gewalttätigen Männern und dem endgültigen Absturz in Heroin- und Alkohol-Sucht. 

Die unmenschliche Behandlung der schwarzen US-Bevölkerung stellt die thematische Klammer des Films dar, der sowohl mit eröffnenden als auch abschließenden Texttafeln den Fokus auf rassistisch motivierte Lynchmorde und das erschreckend schleppende rechtliche Vorgehen gegen sie legt. 

Hauptdarstellerin Andra Day wurde dieses Jahr verdient mit dem Golden Globe in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin Drama“ ausgezeichnet.

Lieber Thomas - Künstlerbiografie als cineastisches Glanzstück

Als Cineast muss man jede Chance nutzen und auch mehr als einmal ins Kino gehen, wenn gute Filme über die Leinwände flimmern. Heute "Lieber Thomas" von Andreas Kleinert. Mit einem überragenden Albrecht Schuch nach den Nebenrollen der Literaturverfilmungen "Fabian" und "Schachnovelle" in der Hauptrolle. 

Der Film „Lieber Thomas“ ist ein spannendes Biopic und zeichnet das Leben des deutsch-deutschen Künstlers Thomas Brasch nach. 

Regisseur Andreas Kleinerts Film ist eine präzise Studie des  Künstlerlebens gelungen, mit einem herausragenden Ensemble und einer Geschichte, die auch eine deutsche Geschichte ist. Brasch war in den Siebzigern und Achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts fast so etwas wie ein Rockstar. Charismatisch, scharfsinnig, selbstbewusst, sensibel und innerlich zerrissen, ein cooler und bisweilen brutaler Beobachter, umstritten, berühmt. 

„Lieber Thomas“ ist also eine in Schwarzweiß fotografierte Annäherung an diesen Getriebenen, der sich nicht scheut anzuecken. Die ausdrucksstarke Bildsprache und die starken Darsteller*innen machen diese Künstlerbiografie zu einem filmischen Glanzstück. Brasch selbst bezeichnete sich als öffentlichen Träumer. Dieser Film hat etwas von einem Traum, driftet immer wieder ab, Fantasien nehmen Gestalt an und bringen die Realität zum Vorschein. 

Fazit: Sehenswert! 

Trailer: https://youtu.be/LUbkrqIB4mE

Contra - Sönke Wortmanns Debattenbeitrag Zum Thema Alltagsrassismus

Mit Filmen wie "Der bewegte Mann" oder "Das Wunder von Bern" gehört Sönke Wortmann seit drei Jahrzehnten zu den erfolgreichsten deutschen Filmregisseuren. Nach „Der Vorname“ (2018) nimmt sich Sönke Wortmann erneut ein französisches Werk als Vorlage und adaptiert es für das deutsche Publikum. Vorbild ist dieses Mal „Die brillante Mademoiselle Neila“ von Yvan Attal aus dem Jahr 2017.  

Contra ist natürlich ein auf ein breiteres Publikum zielender Unterhaltungsfilm, wenn auch gehoberen Niveaus, der ohne die üblichen und platten Schenkelklopfer auskommt. Auf humorvolle Weise verarbeitet Wortmann Motive wie Alltagsrassismus, Vorurteile und den erschwerten Zugang zu Bildung für sogenannte „sozial schwächere“ Bevölkerungsgruppen und liefert so einen aktuellen Debattenbeitrag. 

Die amüsante Culture-Clash-Komödie überzeugt dank dem großartigen Zusammenspiel der Hauptdarsteller*innen und seiner hochaktuellen Fragestellung über Vorurteile, Stereotypen und dem, was unsere Gesellschaft daraus macht. Christoph Maria Herbst kann als menschenverachtender und vorurteilsbehafteter Uniprofessor alle schauspielerischen Register ziehen und findet in Nilam Farooq eine mehr als adäquate Spielpartnerin. Beide tragen dazu bei, dass sich in "Contra" ein herrlicher verbaler Schlagabtausch zwischen den beiden entwickelt. Messerscharfe und mit gegenseitigen Spitzen gespickte Wortduelle zum Genießen.  

Am Ende ist es Naimis Geschichte, die etwas über die reale Situation von Menschen mit Migrationshintergrund erzählt, die in Deutschland teilweise seit ihrer Geburt leben, aber nur geduldet sind und nie wirklich in der Gesellschaft ankommen. Es steckt - unterhaltsam verpackt - ein Sozial-Drama in dieser Komödie. 

Man kann also herzlich lachen und sich am schauspielerischen Feuerwerk von Christoph Maria Herbst und Nilam Farooq erfreuen. Dass sie als Kind aus pakistanisch-polnischer Familie am Berliner Goethe-Gymnasium Abitur gemacht hat, inklusive Latinum und Graecum, ist doch ein schöner Beweis für gelingendes Multi-Kulti - und damit ganz im Geiste dieses Films.

Neuverfilmung der Schachnovelle von Stefan Zweig

Klarer Filmtipp. Großartiges, packendes Schauspielerkino. Stefan Zweig vollendete den heute kanonischen Text Anfang der 1940er Jahre, kurz vor seinem Selbstmord im Exil, in das er sich mit dem Aufstieg des Nationalsozialismus begab. Aus dem autobiographisch geprägten Werk zieht Regisseur Phillip Stölzl in seiner Verfilmung nun vor allem das psychologisch Abgründige, Rätselhafte und Beklemmende, um es für das Publikum erlebbar werden zu lassen.

Verfilmung von Erich Kästners Fabian

Gestern seit einer gefühlten Ewigkeit mal wieder im Kino gewesen: "Fabian - oder der Gang vor die Hunde". 

Feinstes Erzählkino und große Filmkunst von Dominik Graf mit absolut erstklassigen Darstellern. Tom Schilling spielt herausragend, Saskia Rosendah und Albrecht Schuchl stehen in nichts nach. 

Die grandiose Vorlage stammt von Erich Kästner. Ein zeitlos aktueller Roman, der früher den Untertitel "Geschichte eines Moralisten" trug und vor dem Hintergrund des Niedergangs der Weimarer Republik die Geschichte von Jakob Fabian am Vorabend der Machtübernahme durch die Nazis erzählt. 

Insgesamt 3 Stunden, die wie im Flug vergehen. Unbedingt sehenswert.