Niels Frevert: Pseudopoesie

Wie so oft gehen die wirklich guten Veröffentlichungen gnadenlos unter, wenn die Dickschiffe des internationalen Pop- und Rockbusiness ihre neuen Alben mit aller Macht der Major Labels auf den Markt drücken. Letzte Woche U2 mit „Songs of Surrender“, heute Depeche Mode mit „Memento Mori“ und auch noch Herbert Grönemeyer. Kein Wunder, dass der eigentliche Geheimtipp dieser Tage da kaum Platz in den Medien findet. Dabei ist „Pesudopoesie“ von Niels Frevert das vielleicht überraschendste Album im Reigen der Neuveröffentlichungen. Mit ziemlicher Sicherheit aber das mit Abstand anspruchsvollste, wenn man einen Blick auf die Lyriks wirft. Waren seine poetischen Texte, seine eigenwilligen Wortkreationen und seine wunderbare Sprache schon immer seine Stärke, hat sich Frevert nach seiner Zeit als Sänger der Hamburger Band „Nationalgalerie“ immer mehr zum Singer/Songwriter entwickelt. Mit dem beinahe halluzinogen klingenden „Pseudopoesie“ legt er aber ein überraschendes Album vor.


Im NDR hat er sich jüngst selbst so verortet: „Ja, es gibt Popmusik, die soll auch im Supermarkt stattfinden. Die soll gefallen. Die ist so konzipiert. Aber es gibt auch eine Form von Popmusik, bei der tatsächlich die Texte auch eine große Rolle spielen, die vielleicht dann sogar für ein Tagesprogramm ein bisschen zu anspruchsvoll ist. Da zähle ich mich dann mit meinen Songs auch dazu.“ 


Und doch bleibt er nicht greifbar. Zwischen dem intellektuellen Habitus eines Jochen Distelmeyer (Ex-Blumfeld), dem Kumpelcharme eines Thees Uhlmann (Ex-Tomte), dem politisierenden Marcus Wiebusch (Kettcar), dem ewigen Lebensromantiker Sven Regener (Element of Crime) und dem im Weltschmerz suchenden Gisbert zu Knyphausen ist es schwer, ein passendes Etikett für Frevert zu finden. Er vereint all das. Und tut es doch gerade nicht, wenn er alle paar Jahre mit einem neuen Album aus der Versenkung auftaucht, durch die Gassen flaniert und dann wieder im Dunkel der Großstadt verschwindet. Denn genau hier findet der Meister der sanften, stolzen und wärmenden Melancholie seine Geschichten. Das ist natürlich nichts für das Formatradio der großen Sender. 


Auch ist der Sound auf dem neuen Album druckvoller als früher. Was beginnt mit „Weite Landschaft“ und den heimelig anmutenden Klängen einer aufrecht an der Liebe verzweifelten Balladen, wie wir sie von Frevert kennen, kippt bald und spendiert uns Songs mit universeller Wucht zwischen hochverdientesten Momentaufnahmen und radioheadsche Elegien auf die Sehnsucht, in denen letztlich ganz viel unserer Leben steckt.   

Tino Hanekamp hat es wunder beschrieben: „Freverts Lieder feuern nicht zum Durchhalten an, spenden keinen Trost und geben keinen Rat. Sie legen sanft den Finger auf die Wunde, da wo Träume verkümmern und Herzen verhärten, schieben dich sachte zur Tür und lassen dich da stehen mit dem Schlüssel in der Hand. Das ist große, zuweilen fast schmerzhaft schöne Popmusik, die das Leben und die Menschen ernst nimmt, aus Alltäglichkeiten das Drama unserer Existenz schält und neuerdings immer einen Ausweg bereithält: den radikalen Neuanfang, die Flucht in ein neues Leben.“


Diese feine und wirklich gute Musik findet sich - wie so oft - abseits des Mainstreams. Und während uns Niels Frevert mit „Pseudopoesie“ auf eine neue Reise ins Leben mitnimmt, scheint er selbst angekommen zu sein: zwischen den Stühlen, auf der äußeren Umlaufbahn oder einfach nur auf dem Weg zum ewigen Weiter. 


Mehr Infos:

https://www.nielsfrevert.net

https://www.instagram.com/niels_frevert

https://de-de.facebook.com/nielsfrevert/

 

Niels Frevert Pseudopoesie Tour 2023:

19.04.23, Bremen – Lagerhaus
20.04.23, Hannover – Pavillon
21.04.23, Hamburg – Markthalle
22.04.23, Berlin – Lido
23.04.23, Leipzig – Moritzbastei
26.04.23, Köln – Gloria
27.04.23, Mainz – KUZ
28.04.23, Schorndorf – Manufaktur
29.04.23, München – Strom
30.04.23, Mannheim – Alte Feuerwache
09.05.23, Erfurt – Zentralheize
10.05.23, Zürich – Bogen F
11.05.23, Freiburg – Waldsee
12.05.23, Ulm – Roxy
13.05.23, Dortmund – FZW
18.05.23, Dresden – Groovestation
19.05.23, Magdeburg – Moritzhof
20.05.23, Rostock – Peter Weiss Haus